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Töggelichaschte

2005 behauptete ein Regensburger Archäologieprofessor vor Gericht, die Rote Armee hätte die Himmelsscheibe aus Nebra von Schamanen aus Sibirien mitgebracht. Größer kann kulturgeschichtliche Ignoranz nicht sein. Sie wischt 3600 Jahre Kulturgeschichte durch eine vierzigjährige staatspolitische Trennung weg. Auslöser dieser Trennung war ein katastrophaler Krieg, davor ein weiterer und so weiter und so fort. Das Völkerschlachtdenkmal kann uns das Trauma nicht nehmen. Es ist unübersehbar in Leipzig und damit Stein des Anstoßes, über diese Kriegs-Geschichte nachzudenken. Zwölf Recken mit Schwert und Schild blicken auf uns aus sechzig Metern Höhe herab. Eine zentrale Figur des deutschsprachigen Kulturgutes ist Dietrich von Bern. Er ist der Ostgotenkönig Theoderich der Große, der von 454 bis 526 lebte. In Bern war er nie. BEPOHA lautete das Schriftbild seiner Residenzstadt. Da die Schreiber des oströmisch- byzantinischen Reiches griechische Buchstaben verwendeten, wird es Verona ausgesprochen – der lateinische Lesefehler der Sieger machte Bern daraus. Theoderichs Waffenmeister Hildebrand bescherte der deutschen Sprache ein frühes und ergreifendes Heldenlied. Der emigrierte Vater kämpft auf Seiten der Hunnen, sein Sohn Hadubrand auf Seiten der Westgoten, die ihr Heil und Überleben in der Verbrüderung mit den siegreichen Franken suchten – wie auch die Burgunder. Die Ostgoten gingen unter. Der Vater erschlägt sein eigenes Kind, weil es den Fremden nicht als Vater, sondern nur als listigen Feind erkennen kann. Auch das Nibelungenlied, in dem Dietrich und Hildebrand auftreten, erscheint ungeheuerlich: Die Völker schlachten sich und ihre Nachkommen einer verspielten Vorherrschaftsrolle und einer gekränkten Frau wegen ab. Ohne Erbarmen. Mechanisch folgt eine Schlacht der anderen. Dies ist die Geschichte Europas! Worum streiten wir? Mit dem Gold der Zwerge um das Land der Königin? Verstehen wir noch, was unsere Vorfahren uns wirklich erzählen wollten? Im Dietrich Epos gibt es eine Geschichte, wo der Berner mit elf Recken nach Worms geladen wird, um gegen zwölf Burgunder Recken, einschließlich Siegfried aus den Niederlanden, um Kriemhilds Rosengarten zu streiten. Die Burgunder müssen alle um ihr Leben flehen – aber wie schön – sterben muss niemand!
So ein zauberhaftes Wort wie Töggelichaschte gibt es in meiner Muttersprache nicht. Es bedeutet im Schweizerdeutschen wörtlich Figurenkästchen und meint das Tischfußballspiel. In meinem Spiel kämpfen die Spieler gegeneinander mit den Spießen wie Lanzen.

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